Screenshot aufgenommen auf Xbox Series X

Mit „A Plague Tale: Innocence“ erschien 2019 einer der Überraschungshits des Jahres. Eine intensive Geschichte, gut erzählte Charaktere und ein solides Gameplay-Gerüst rückten das Spiel in den Mittelpunkt der damaligen Berichterstattung. Am 18. Oktober erschien nun der direkte Nachfolger zum Abenteuer rund um Amicia und Hugo: „A Plague Tale: Requiem“.  Wir haben das Spiel auf Xbox Series X und Nintendo Switch in der Cloud Version gespielt. Ob Asobo Studio an alte Erfolge anknüpfen kann, erfahrt ihr in unserem Test.

Es könnte so friedlich sein…

ist es aber nicht!  Zwar hatte man in: „Innocence“ die Schrecken der Inquisition hinter sich gelassen und erstmal für Ruhe gesorgt, damit ist aber längst noch nicht das größte Problem der Familie De Rune, der Amicia und Hugo angehören, aus dem Weg geräumt. Hugo trägt noch immer die Prima Macula in sich, die die tödlichen Rattenhorden auslöst, welche schon im ersten Teil für unzählige Tode gesorgt haben. Doch zu Beginn des neuen Abenteuers blüht Hoffnung auf, soll doch ein großer Alchemist dem kleinen Jungen helfen können. So beginnt erneut eine Reise durch Frankreich, auf die sich die Geschwister, ihre Mutter und ein Freund der Familie, Alchemistenlehrling Lucas, machen.

Offene Münder

Und damit sind wir schon bei einer der großen Stärken des Spiels: der Atmosphäre. Die Entwicklerinnen und Entwickler schaffen es eine für das Setting glaubwürdige Geschichte zu erzählen, die durch gute und stetig geführte, wenn auch nicht hervorragende, Dialoge vorangetrieben wird. Dies geht einher mit großartig in Szene gesetzten Kulissen, die einem immer wieder den Mund offenstehen lassen. Die Bandbreite der Gefühle ist dabei recht groß. Egal ob einem der Ekel im Halse nach oben steigt, wenn man mal wieder durch mit Leichen und Viehabfall getränkte Gossen wankt oder mit Hugo durch eine bunte, mit Blumen gespickte Stadt zieht. Immer wieder sind die Szenen einprägsam und bleiben noch Tage nach dem Spielen hängen. Der tolle und intensive Soundtrack von Olivier Deriviere fügt sich hervorragend in das Spiel ein.

Hierzu trägt auch maßgeblich die großartige Präsentation bei, die, zumindest auf aktuellen Konsolen, durchaus als Augenweide betitelt werden darf. Eine tolle Weitsicht, unfassbare Details und toll in Szene gesetzte Kleinigkeiten lassen einen immer wieder staunen. Dabei gehen die 30 Bilder pro Sekunde vollkommen in Ordnung. Der Titel gehört hier auf jeden Fall zu den aktuell schönsten Spielen.

Screenshot aufgenommen auf Xbox Series X

Schleichen, töten, kombinieren, Reue zeigen

Beschränkte sich das Kern-Gameplay des ersten Teils noch auf das Verwenden einer Schleuder und das Anwenden von Alchemie, greift der Nachfolger dies zwar auf, ergänzt und erweitert das ganze aber so, dass nie Langeweile aufkommt.

Zu Beginn des Abenteuers greift Amicia auf ihre bekannten Fähigkeiten zurück. Mit der Schleuder schießt ihr Steine auf Kisten, um Gegner abzulenken, Feuer zu löschen und zu entzünden oder in seltenen Fällen auch mal einem Soldaten das Gesicht zu zertrümmern. Damit verbunden ist zunächst eine sehr defensive, geschickte Verhaltensweise, die sich am klassischen Stealth-Gameplay bedient. Stets gilt es die aktuelle Situation zu analysieren, um Laufwege nachzuvollziehen und Umgebungen abzusuchen, sowie diese zum Vorteil zu nutzen. Dabei bietet einem das Spiel immer mehrere Lösungsansätze & Wege, was unheimlich motiviert, da so das Gefühl aufkommt, dass man der Einzige sei, der ganz geschickt die jeweilige Szene absolviert hat. 

Zudem greifen die einzelnen ausgeführten Aktionen immer wieder gut ineinander, was einen guten Flow aufkommen lässt: Man betritt geduckt einen dichten Wald aus Farnen, schaut sich um und prägt sich das Movement der Gegner ein. Man entscheidet sich noch die alte Truhe in der Ecke des Bereichs zu leeren, in der Hoffnung auf die ein oder andere Habseligkeit. Um dorthin zu gelangen lenkt man die Wachen mittels Schleuder ab und nutzt geschickt die entstandene Lücke, man schlägt zu. Nur einen Tick langsamer und man wäre entdeckt worden. Solche Momente tragen immer wieder zu einer spannenden Atmosphäre bei, in der man genau die richtige Mischung aus Bedrohung und Überlegenheit spürt. Wird man doch mal ungewollt konfrontiert, kann einem ein Messer im Falle der Soldaten oder Pyrit gegen die Ratten in letzter Sekunde helfen. Beides besitzt man aber nur, wenn man hier und da brav erkundet.

Im Verlauf des Spiels wird das Gameplay immer wieder erweitert oder temporär ergänzt. So erhält man zum Beispiel eine Armbrust, um fortan auch Gegner auszuschalten, die beim Anblick der Schleuder nur müde lächelten. Durchbohrt nun ein Bolzen ihren Oberkörper wars das dann auch mit dem Grinsen. Mithilfe der neuen Waffe mutiert „Requiem“ aber keinesfalls zum gnadenlosen Shooter, dafür sind die Bolzen zu selten und wiederum gibt es stärkere Gegner, die auch hiervon einige einstecken können. Amicia bleibt also weiterhin die List und Tücke, die sie so auszeichnet.

Screenshot aufgenommen auf Xbox Series X

Auch Hugo darf als Begleiter über eine neue Fähigkeit walten. Diesmal kann er ab einem bestimmten Spielabschnitt die Ratten aus der Egoperspektive steuern, um sie zum Beispiel auf Gegner zu hetzen. Wem das ebenfalls zu mächtig klingt, dem sei gesagt, dass auch diese Aktion beschränkt ist und keinesfalls im gesamten Spiel angewandt werden kann.

Zu den Gameplay-Neuheiten der Hauptprotagonisten gesellen sich auch die ein oder anderen alchemistischen Künste, die erweitert wurden oder ganz und gar neu sind: Allen voran ist das der Einsatz von Teer, der es einem in Zusammenhang mit Ignifer ermöglicht große Areale oder Widersacher in lodernde Flammen zu versetzen. Auch das ein oder andere Rätsel macht diese Fähigkeit zum Kern des Geschehens. Jene sind übrigens wunderbar ins Spielgeschehen eingebettet, nicht all zu schwer und unterbrechen somit auch den Spielfluss nicht, geben aber Zeit zum Durchatmen.

Gewaltspirale?

Abseits dessen schaffen es auch die Begleiter neue Finessen ins Spielgeschehen zu bringen. Allen voran sind das Arnaud, ein recht grimmiger aber Schwertschwingender Kämpfer, und Sophia eine geschickte und abgebrühte Schmugglerin, die frischen Wind in die Segel des Pacings wehen. Dabei reicht die Bandbreite von der Befehligung jener Charaktere durch Amicia bis hin zu eigenen Verhaltensweisen, die gegen die Horden an Ratten helfen. Dadurch sind die Wegbegleiter nicht bloß leere Hüllen, die neben einem her flitzen, sondern echte Hilfen und durch die erwähnten Dialoge auch noch emotional aufgeladene Gesprächspartner, die in Erinnerung bleiben.

Das Amicia hin und wieder morden muss, um ihre Ziele zu verfolgen, ist eigentlich unabdingbar. Dies hat zur Folge, dass sie selbst hin und wieder Zweifel hegt und Gewissensbisse hat. Auch ihre Begleiter mahnen zur Zurückhaltung an. Hieran ist auch das Progressionssystem geknüpft. Spielt man vorsichtiger und verursacht keine unnötigen Opfer, steigert das zum Beispiel das Attribut Bewusstsein. Somit ist es Amicia zum Beispiel möglich sich leiser zu bewegen. Ein anderer Spielstil kann wiederum die Attribute Angriff oder Raffinesse steigern. Wir fanden dieses System des „Skillbaums“ durchaus erfrischend, hätten uns aber eine tiefere Einbindung in Story und deren Folgen gewünscht. Denn letztendlich bleibt es bei den Ermahnungen und kritischen Worten. Amicias Vorgehen hat keinerlei tiefere Auswirkungen. Außerdem zwingen einen manche Gameplaypassagen dazu mehrere Gegner hintereinander förmlich abzuschlachten. Zum Beispiel gibt es da eine Bootsfahrt, bei der man ein Geschütz dazu nutzt sich den Weg frei zu räumen. Aber immerhin: Das System schafft auf jeden Fall ein Bewusstsein für das Maß an Gewalt, das man ausübt.