Wenn der Spieler keine Lust mehr auf die großen Spielereihen hat, welche eher durch ihre hohe Anzahl an Folgetiteln statt durch hohen Einfallsreichtum glänzen, wird es Zeit, einen Blick über den Tellerrand zu wagen. Denn fernab der renommierten Publisher gibt es seit Jahren eine stetig steigende Anzahl von sogenannten Indie-Entwicklern, welche sich zunehmend auf den Grundgedanken von Videospielen besinnen: Ausgefallene Ideen die begeistern.

Sony hat das Potenzial der Szene erkannt und möchte nun unter dem Motto "PlayStation loves Devs" die eigenen Programme im Bereich der Indie-Titel weiter ausbauen. Hier wollen wir die Chance nutzen, um einmal einen etwas genaueren Blick auf die Beziehung zwischen Sony und den Unabhängigen zu werfen. Welche Programme und Projekte gab es bislang? Welche wird es in Zukunft geben? Welche Titel erwarten uns? In einer kleinen Artikelreihe möchten wir genau diese Punkte betrachten und euch die Welt der Indie-Spiele näher bringen. Den Anfang machen hierbei Sonys bisherigen Bemühungen im Bereich der Indies.

Was ist Indie überhaupt?

Die Begriffe Indie-Spiele und Indie-Entwickler sind, wie fast jeder Begriff in der Videospielebranche, nur schwer zu definieren. So gibt es verschiedenen Grundideen und Maßstäbe, welche hinter diesen oft genutzten Begriffen stecken. Ein häufig angesetzter Maßstab um einen Indie-Entwickler von anderen Entwicklern zu unterscheiden ist die Größe des Teams. Während größere Publisher wie Ubisoft für Titel der „Assassin's Creed“-Reihe mehrere hundert Entwickler und Designer beschäftigen, kommen viele Indie-Entwickler wie das Team hinter „Super Meat Boy“ meist mit wenigen Personen aus. Da es aber auch durchaus größere unabhängige Entwicklerteams gibt, ist dieses Kriterium nicht wirklich verwendbar.

Ein weiterer Aspekt, welcher oft herangezogen wird, ist die finanzielle Unabhängigkeit von einem größeren Publisher. Diese Eigenschaft stellt für viele sicherlich das wichtigste Merkmal zur Unterscheidung zwischen Indies und Nicht-Indies dar, weswegen wir sie auch als Hauptkriterium für unsere persönliche Definition verwenden werden. Jedoch ziehen wir hier eine sanfte Grenze, da wir auch Spiele, die im Zuge eines Publisher-Projektes finanziert und entwickelt wurden, als Indie-Spiele ansehen, sofern das Studio hinter dem Spiel generell unabhängig ist. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist „Flower“, welches von den unabhängigen Entwicklern von thatgamecompany im Auftrag von Sony entwickelt wurde.

Ab ins Ferienlager

Bis 2008 war die Indie-Szene für die großen Konsolenhersteller ein scheinbar uninteressanter Bereich. Weder bei Sony, Nintendo, noch bei Microsoft gab es größere Bemühungen, die kreativen Köpfe und ihre Spiele für die eigenen Plattformen zu gewinnen. So blieben viele ausgefallene Spielideen und Nischentitel auf dem Gerät, wo sie sich schon seit den frühen 90er Jahren tummeln: auf dem PC.

Erst um 2008 herum schienen die drei Hersteller das Potenzial der Szene zu erkennen – woran Titel wie das Geschichlichkeitsspiel „World of Goo“ oder das Rogue-artige „Dwarf Fortress“ nicht ganz unschuldig sind. Im Zuge der ersten Welle von beliebten Indie-Games gab es dann Bemühungen in Form von Online-Store-Sektionen wie bei Microsoft oder spezielle Förderprogramme, um kreative Köpfe zu gewinnen. Bei Sony erhielt eines dieser Programme den Namen PlayStation C.A.M.P., was für „Creator Auditon Mash up Project!“ steht.

Ziel von PlayStation C.A.M.P. ist vor allem die Förderung junger Kreativer aus Japan. Sony möchte mit dem Programm gezielt Leute mit ausgefallenen Ideen und Konzepten gewinnen, damit diese anschließend in Kooperation mit den Sony-eigenen Studios die Ideen und Konzepte umsetzen können. Man will dabei nicht nur kreative Spiele entwerfen, sondern vor allem den Leuten die Möglichkeit bieten, sich in der Branche zu etablieren. Der Grundgedanke von C.A.M.P. geht übrigens auf die ersten Jahre von Sony in der Videospieleindustrie zurück. Bereits seit 1995 veranstaltete man diverse Konferenzen, welche vor allem an die Kreativen der Branche gerichtet waren, die man so für die eigenen Teams gewinnen wollte.

Seit der Gründung des Projekts sind gut sieben Titel durch den direkten Einfluss von C.A.M.P. entstanden. Jeder dieser Titel zeigt auf seine eigene Art und Weise, was für ausgefallene Konzepte man als Videospiel umsetzen kann. Zu den bekannteren zählen hier vor allem das Puzzle-Spiel „echochrome“, das tierbasierte Action- und Survival-Spiel „Tokyo Jungle“, sowie das erst vor Kurzem erschienene Adventure „rain“.

Die External Developement Studios

PlayStation C.A.M.P. sollte nicht die einzige Maßnahme seitens Sony darstellen, um die zunehmend wachsende Gemeinde an unabhängigen Indie-Entwicklern zu gewinnen. So wurden im Laufe der letzten Jahre weltweit zahlreiche Studios unter dem Namen External Developement Studio eröffnet. Die einzelnen Studios sind den Sony Computer Entertainment Worldwide Studios, kurz SCE WWS, untergeordnet, und somit auf der selben Stufe wie beispielsweise Sony Santa Monica angesiedelt. Das bekannteste Studio stellt wohl das für den europäischen Markt zuständige XDev Studio dar.

Das Hauptziel der External Developement Studios ist es, einen einheitlichen Ansprechpartner zu bieten, der die unabhängigen Entwickler, aber auch größeren Publisher, im Hinblick auf die Veröffentlichung ihrer Spieler auf den PlayStation-Systemen und im PlayStation Network unterstützt. Man will sich dabei jedoch nicht nur auf reine Publishing-Dienstleistungen beschränken, sondern auch andere Dienste, wie eine Betreuung und Unterstützung während der Entwicklung, anbieten.

Dass die Dienste der XDev Studios gefragt sind, sieht man an zahlreichen Titeln, in denen das Logo zum Spielstart erscheint. Neben Sony-eigenen Hochkarätern wie „Killzone“, „LittleBigPlanet“ oder „Gravity Rush“ verziert das XDev Studios-Logo auch den Startbildschirm von Spielen wie „Super Stardust HD“, „Reality Fighters“ oder dem zukünftig erscheinenden „Rime“.

PlayStation loves Devs

Speziell für unabhängige Entwickler vorgesehene Studios und Partnerprogramme sind eine gute Ausgangsbasis, um eine größere Auswahl an Indie-Spielen anbieten zu können. Infolgedessen sind in den letzten paar Jahren auch zahlreiche Indie-Titel für Sony-Systeme erschienen, wovon ein großer Teil auch durchwegs gute Kritiken erhielt. Bekanntestes Beispiel ist hier wohl das von thatgamecompany entwickelte Adventure „Journey“, das unter anderem sechs Video Game Awards erhielt und dessen Musik für den Grammy nominiert wurde. Um aber im globalen Wettkampf mit den Mitbewerbern bestehen zu können, reicht es nicht aus, sich auf diesen Errungenschaften auszuruhen, sondern muss auch stetig Verbesserungen einbringen.

Und so kündigte Sony im Rahmen der E³ 2013 in Los Angeles unter dem Namen PlayStation loves Devs ein neues Programm von Verbesserungen an, welches die stetig wachsende Anzahl von Kooperation zwischen Sony und unabhängigen Entwicklern weiter steigern soll. Als gewollter Nebeneffekt möchte man dabei vor allem die Situation der PlayStation 4 gegenüber der Konkurrenz stärken. Die im Zuge dieses Programms angesprochenen Punkte betreffen vor allem den finanziellen Aspekt von Spielen. Denn auch wenn die von einem Publisher unabhängige Entwicklung eines Spiels viele konzeptionelle Freiheiten bietet, so bedeutet sie auch ein sehr viel größeres finanzielles Risiko.

Um dieses Risiko zu reduzieren, möchte Sony deshalb die Indie-Entwicklern auch finanziell unterstützen und ihnen entgegen kommen. Ein Punkt, an dem gearbeitet wurde, ist die Bereitstellung von den sogenannten Software Developement Kits, kurz SDKs. Diese waren in den bisherigen Konsolengeneration zumindest für kleinere Entwickler recht kostspielig und zudem nicht für jedermann zugänglich. Im Zuge von PlayStation loves Devs hat man die Bedingungen und Konditionen aber erheblich angepasst. So kann seit einigen Monaten beispielsweise jeder Bewohner des amerikanischen Kontinents kostenlos einen Zugriff auf das PlayStation SDK erhalten, welches er dann für die Entwicklung von Spielen und Anwendungen für alle aktuellen PlayStation-Plattformen nutzen kann. Sollte ein Hardware Developer Kit benötigt werden, so kann man es, im Vergleich zu vorher, für einen verhältnismäßig geringen Betrag erwerben. Auch wenn diese Kosten nur einmalig anfallen mögen und bei Erfolgsaussicht des Projektes eher beiläufig sind, so vergrößert der Wegfall derer doch die Anzahl an interessierten und begabten Entwicklern enorm.

Ein weiterer Punkt, durch den Sony sich von der Konkurrenz abheben möchte, ist eine finanzielle Unterstützung während der Entwicklung des Spiels. Sollte ein Entwickler also eine interessante Idee bieten, die aber aufgrund finanzieller Schwierigkeiten nicht fertig gestellt werden kann, so kann er auf eine Unterstützung durch Sony hoffen. Im Gegensatz zu üblichen Publisher-Verträgen tritt der Entwickler dabei nicht seine Rechte an dem Spiel beziehungweise den dahinterstehenden Ideen ab. Man verpflichtet sich lediglich zu einer zeitlichen Exklusivität des Spiels für Sony-Plattformen. Nach Ablauf der Exklusivfrist darf der Entwickler dann das Spiel frei auf jeder von ihm gewünschten Plattform veröffentlichen. Ein recht bekanntes Beispiel für diese Finanzierung stellen die Drinkbox Studios mit ihren Spielen „Guacamelee!“ und „Tales from Space: Mutant Blobs Attack!!!“ dar. Beide Titel waren jeweils etwa ein halbes Jahr nach dem Release im PlayStation Network auch über Steam verfügbar.

Ein weiterer Punkt, an dem gearbeitet wurde, ist die Patch-Politik. Während Patches für Spiele auf der PlayStation 3 eine kostenpflichtige Verifizierung benötigten, entfällt diese nun. Sollte es also zu gravierenden Problemen im Spiel kommen, kann man als Spieler auch bei kleineren Indietiteln auf Patches hoffen – sofern der Entwickler selbst auch daran interessiert ist. Hierdurch lassen sich mögliche Imageschäden, wie sie beispielsweise bei "Fez" von Polytron Corporation aufgetreten sind, leichter vermeiden.

Die Rolle von Crowdfunding

Ein seit einigen Jahren anhaltender Trend in der Spielebranche ist das sogenannte Crowdfunding. Hier werden über bekannte Online-Plattformen wie Kickstarter Spiele statt wie bisher über etablierte Publisher nun über eine große Anzahl von Privatleuten finanziert. Jeder Einzelne unterstützt dabei die Entwicklung des Spiels durch kleinere oder größere Geldbeträge, die er den Entwicklern zusichert. Als Belohnung gibt es dann später meist einen Download-Code für das eigentliche Spiel.

Crowdfunding hat bislang viele interessante Projekte, welche auch immer mehr die PlayStation-Systeme als mögliche Plattformen berücksichtigen. So scheinen immer mehr Projekte die PlayStation 4, aber auch die PlayStation Vita für die per Crowdfunding-finanzierten Spiele eine wichtige Rolle spielen. Beispiele hierfür sind Kampagnen wie „Project Phoenix“, „Hyper Light Drifter“ oder „Cosmic Star Heroine“. Bei diesen Projekten gehörten die PlayStation-System direkt zum Hauptziel der Kampagne, und nicht wie bei vielen Projekten vorher zu den Nebenzielen. Aber auch viele andere Kampagnen haben die PlayStation-System berücksichtigt. Eine der populärsten Kampagnen ist hier sicherlich das Jump 'n' Shoot „Mighty No. 9“, welches der geistige Nachfolger der beliebten „Mega Man“-Reihe darstellen soll – und ebenfalls vom selben Co-Designer, Keiji Inafune, stammt.

Ausblick

Es hat recht lange gedauert, bis man seitens Sony das wirkliche Potenzial der kleineren Entwickler erkannt hat. Wenn man aber die Bestrebungen der letzten Jahre betrachtet, wird man feststellen, dass das Unternehmen sich auf dem richtigen Weg befindet. So wurden innerhalb der letzten fünf Jahre viele Strukturen geschaffen, welche die kreativen Köpfe bei der Entwicklung ihrer Spiele sinnvoll unterstützen und zu einigen anerkannten Spielen geführt haben.

Wie die zukünftigen Entwicklungen aussehen werden, lässt sich schwer abschätzen, aber es ist zumindest davon auszugehen, dass der in den letzten Jahren etablierte Bereich des Crowdfundings weiterhin für interessante Spiele sorgen wird. Spiele, welche man dank der Bemühungen in Form von PlayStation C.A.M.P., XDev Studios und dem PlayStation loves Dev-Programm auch auf der PlayStation 4 oder PlayStation Vita genießen dürfen wird.